Reifentemperaturen aus der Praxis (Strassenmotorrad)

  • Reifentemperaturmessung am Gurnigel


    Wie jedem bewusst sein sollte, ist es sehr wichtig, dass man den für den häufigsten Einsatzzweck optimalen Reifen auf seinem Motorrad montiert hat. Ziel ist es, möglichst guten Grip zu haben, denn Grip bedeutet Sicherheit und Haftungsreserven in Notsituationen. Ein Reifen bietet immer dann den besten Grip, wenn die Reifenbetriebstemperatur im obersten Drittel des Temperaturfensters liegt, für welches der Reifen entwickelt wurde.


    Leider halten sich die Reifenhersteller mit den Angaben von Temperaturfenstern zurück, denn sie unterscheiden lieber nach den Kategorien Tourenpneu, Strassenpneu und Rennstrassenreifen. Natürlich gibt es auch reine Rennstreckenpneus ohne Strassenzulassung, aber die sollen hier kein Thema sein.


    Meine Recherchen haben ergeben, dass Michelin zu den folgenden Pneus die nachfolgend aufgelisteten Temperaturfenster für den Einsatz sieht:


    · Michelin Power One (Rennstrassenreifen): 15 - 75° Celsius


    · Michelin Pilot Power 2CT (Sportreifen): 5 - 60° Celsius


    · Michelin Pilot Road 2 (Tourenreifen): 5 - 50° Celsius


    Wie bereits erwähnt kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Reifen erst im obersten Drittel ihres jeweiligen Temperaturbereichs zu Höchstform auflaufen und den optimalen Grip bieten. Wird die obere Temperaturgrenze überschritten, so lässt der Grip wieder nach.


    Um zu ermitteln, wie warm ein Reifen im Einsatz tatsächlich wird, habe ich gestern am Gurnigelpass (Bernerseite) drei Berg- und Talfahrten gemacht. Die Strecke ist ca. 9 km lang und weist ca. 750 Höhenmeter auf. Gefahren wurde sportlich ambitioniert mit einer Motorradschräglage von 40 bis 46° (siehe Foto). Dies ergibt eine Fahrzeit pro Berg- oder Talfahrt von rund 6 Min. 30 Sek. Mit dieser Fahrweise verschwinden in den Kurven ca. 95% der anderen Fahrer ziemlich schnell aus dem Rückspiegel. Auf den Geraden ist man bei dieser Fahrzeit selbstverständlich gesetzeskonform unterwegs.


    http://www.imgbox.de/users/public/images/GbHq7CISUk.JPG


    Gestern Mittag herrschten am Gurnigel die folgenden Rahmenbedingungen:


    Lufttemperatur unten: 21° Celsius


    Luftemperatur oben: 20° Celsius


    Asphalttemperatur unten (Sonne / Schatten): 36 / 18° Celsius


    Asphalttemperatur oben (Sonne / Schatten): 34 / 18° Celsius


    Ca. 1/3 der Strecke lag im Schatten


    Motorrad: BMW K 1200 S mit Michelin Pilot Power 2CT. Maximal abgerufene Motorleistung: ca. 90 PS (Vollgas bei 5'500 U/min.). Das Motorrad hat eine Teilintegralbremse, d.h. das Hinterrad wird mit dem Handbremshebel auch mit verzögert. Die Hinterradbremse wurde aus diesem Grund bei der Talfahrt so gut wie nie alleine betätigt.


    Und nun zu den Messresultaten, welche über jeweils drei Berg- und Talfahren ermittel wurden. Gemessen wurde jeweils die Reifenmitte und die Reifenflanke im Bereich von 40° Schräglage, also ziemlich weit aussen am Pneu:


    Bergfahrt: Vorderpneu (Mitte / Flanke): 44° / 46° Hinterpneu (Mitte / Flanke): 44° / 50°


    Talfahrt: Vorderpneu (Mitte / Flanke): 47° / 44° Hinterpneu (Mitte / Flanke): 39° / 42°


    Fazit


    Der Strassenpneu Michelin Pilot Power 2CT wird bei dieser Fahrweise im optimalen Temperaturbereich bewegt. Ein Tourenreifen wäre beim Hinterpneu schon am oberen Limit angelangt und ein Strassenrennreifen würde für optimale Haftung zu wenig warm. Zu berücksichtigen gilt es, dass die den Messungen zugrunde liegende Fahrweise nur auf bestens bekannten Strecken und bei wenig Verkehr möglich ist. Darum ist davon auszugehen, dass die gemessenen Reifentemperaturen auf unbekannten Strecken und bei mehr Verkehr nicht erreicht werden.


    Vor einer Tour empfiehlt es sich übrigens das Motorrad schnell aus der Garage zu nehmen und wenn möglich an die Sonne zu stellen. Bei 27° Aussentemperatur haben meine Reifen so auf der Seite mit direkter Sonneneinstrahlung schnell einmal 50 - 55° Celsius Temperatur bekommen. Ideal also, um schon von Beginn weg optimalen Reifengrip zu haben.

  • Schöne Analyse

    Was ist das Fazit? Dass du bei spätsommerlichen Temperaturen grenzwertig unterwegs sein musst, um im optimalen Temperaturfenster des Reifens unterwegs zu sein? Wie ist es dann wohl im Frühling bei 10°C Asphaltteperatur? :winking_face:
    Und dann fahr mal auf ner leichten 600er im selben Tempo den Gurnigel hoch. Du wirst sehen, dass du kein bisschen weniger rutschst, aber der Reifen schätzungsweise 10°C kälter sein wird.

    Einen wichtigen Punkt haste ausserdem noch vergessen: den Luftdruck. Der Reifen sollte nämlich bei Betriebstemperatur den optimalen Luftdruck haben. Nur dann nämlich stimmt die Kombination zwischen Stabilität, Eigendämpfung, Walkarbeit und Gripp.
    Weiter reichen 6:30min längst nicht, um einen Reifen wirklich zu erwärmen. Was du gemessen hast, ist wohl nur die Oberflächentemperatur des Reifens. Um perfekt zu funktionieren, muss ein Reifen jedoch durchgewärmt sein. Man spricht auf der Rennstrecke von mindestens 30min Aufwärmzeit mittels Reifenwärmer, um eine schön einheitliche Temperatur hinzukriegen. Auf der Strasse wird das nicht anders sein. Es gibt ja sogar das Phänomen „Cold tear“ – Kaltaufreissen: Hierbei ist der Reifen zu kalt und erhitzt duch Beschleunigung etc. nur gerade an der Oberfläche, der Rest des Reifens bleibt kalt, die Oberfläche reisst auf. Ein ziemlich unschönes Bild gibt das. Dennoch würde man hierbei vernünftige Temperaturen (eigentlich logischerweise sogar zu hohe) an der Oberfläche des Reifens messen, obwohl der Reifen eigentlich zu kalt ist! Dies nur als Hinweis, dass die gemessene Refentemperatur nicht unbedingt die „wahre“ Reifentemperatur widerspiegelt.

    Meine Meinung:
    Wichtig ist doch auf der Strasse nicht, ob ein Reifen seinen MAXIMALEN Grip bietet. Wichtiger ist, dass er AUSREICHEND Grip bietet. Und der Bereich, wo er das tut, ist das angegebene Temperaturfenster. Logisch, wärmer ist besser als kalt…
    Das Witzige ist ja folgendes Phänomen: fährst gemütlich, wird der Reifen nicht warm, du hast nicht den optimalen Gripp. Aber du brauchst ihn ja auch nicht, weil du ja gemütlich fährst ;). Fährst du sportlich, wird dein Reifen wärmer, bietet mehr Grip, genau wie du es haben möchtest. Der Trick liegt also hauptsächlich darin, zwischen Kaltzustand und Betriebszustand den richtigen „Steigerungslauf“ hinlegen zu können. Bei den heutigen Touren- und Sportreifen ist das Temperaturfenster allerdings so gross bzw. reicht so tief runter, dass man dieser Steigerungslauf auch problemlos von statten gehen sollte, d.h. auch ein kalter Reifen erlaubt i.d.R. eine ordentliche Schräglage und sogar noch etwas Beschleunigung dazu :winking_face:

    Einer ist immer schneller - zum Beispiel ich :winking_face:
    Quod gratis asseritur, gratis negatur

  • Sauber geschrieben, deshalb mal ein Dankeschön :winking_face:

    Der Kern eines guten Motorrades liegt in der Technik, NICHT in der Optik :grinning_squinting_face:

    Schleichfahrt ist ein Betriebszustand von getauchten militärischen U-Booten


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  • Jep, die Grundidee war gut, aber Boo hat eigentlich das wichtigste noch dazu gesagt. Intressant wäre aber auch mal ein Vergleich mit verändertem Luftdruck und da gibts dann auch an der Oberfläche sehr unterschiedliche Temperaturen.



    Gruss Tom

    Eine Gerade ist eine unütze Verbindung von Kurven

  • Was ist das Fazit? Dass du bei spätsommerlichen Temperaturen grenzwertig unterwegs sein musst, um im optimalen Temperaturfenster des Reifens unterwegs zu sein? Wie ist es dann wohl im Frühling bei 10°C Asphaltteperatur?
    Und dann fahr mal auf ner leichten 600er im selben Tempo den Gurnigel hoch. Du wirst sehen, dass du kein bisschen weniger rutschst, aber der Reifen schätzungsweise 10°C kälter sein wird.


    Das Fazit ist, dass Rennstrassenreifen wirklich nur Sinn machen, wenn man damit gelegentlich auf einer Rennstrecke unterwegs ist, denn nur dort werden die optimalen Temperaturen für einen solchen Reifen erreicht. Geht man mit einem Sportreifen (z.B. PiPo 2CT) auf die Rennstrecke und gibt ordentlich Gas, so muss man sich bewusst sein, dass ein solcher Reifen das Temperaturfenster nach oben verlässt - sprich überhitzt - und den für die schnelle Fahrweise nötigen Grip nicht mehr bieten kann.


    Den Reifenluftdruck habe ich auf den empfohlenen Werten von BMW belassen. Auf ein Absenken des Luftdrucks, so wie es für das Rennstreckenfahren empfohlen wird, habe ich somit verzichtet. Es geht im Alltagsbereich ja auch nicht darum, rennmässig den Berg hoch zu jagen.


    Mein Anfahrtsweg zum Gurnigel beträgt etwas mehr als 20 km. Somit sind die Reifen beim Ankommen am Berg bereits gleichmässig und vollumfänglich warmgefahren. Dafür spricht auch, dass die Messungen bei den jeweils drei Berg- und Talfahrten keine signifikanten Abweichungen zeigten.


    Wie sich Temperaturen um 10°C (Luft und Asphalt) auswirken, werde ich im Herbst oder nächsten Frühling ermittel. Von viel niedrigeren Betriebstemperaturen bei trockenen Verhältnissen gehe ich jedoch nicht aus. Bei Pausen werden die Reifen aber natürlich viel schneller auskühlen als im Sommer, was es beim Weiterfahren zu berücksichtigen gilt.




    Noch was zu der Lebensdauer der Michelin Pilot Power 2CT:


    Bei der erwähnten Fahrweise am Gurnigel sind die Reifen inkl. der Anfahrtswege zum Berg sowohl hinten als auch vorne nach rund 1'500 km nicht mehr gesetzeskonform. Nach 2'000 km ist an den Flanken dann im Schräglagenbereich von 30 bis 45° kein Profil mehr sichtbar. Am Hinterrad ist der Reifen nach 2'000 km in der Mitte noch knapp gesetzeskonform, da ich auf starkes Beschleunigen bei Geradeausfahrt weitgehend verzichte. Vorne sind nach 2'000 km in der Mitte die 1.6 mm auch unterschritten. Dies wegen dem Anbremsen der Kurven bei den Talfahrten.


    Nächstes Jahr werde ich den Michelin Pilot Power 3 ausprobieren. Der soll rund 20% länger halten. Ich bin mal gespannt, ob dies wirklich so sein wird. Aber egal, ob 1'500 km oder 1'800 km Laufleistung spielt auch nicht so eine grosse Rolle Wink_Smiley

  • Na da würde ich mich aber bedanken wenn der Reifen nach nur 1500km runter muss weil die Rennleitung sich sonst freut weil es was zu verdienen gibt.


    Wie lange halten dann Reifen wie z.B. ein K3? 500-800km?


    So rund 6000km hinten muss er bei mir halten. Ich habe keine Aktien bei den Reifenherstellern.

  • ich hab mich ausch schon über diese aussage von der haltbarkeit der 2ct gewundert, besonders was den vorderreifen angeht, da muss die dicke aber sehr stark immer über die vorderreifen schieben wenn du dort so einen verschleiss hast. hast du die gabel auf block? sodass die reifen alle unebenheiten ausmerzen müssen? was bei den druck nach werksangaben (gehe jetzt mal von 2.5 für den vordereifen aus) nicht wirklich gut möglich ist.oder bremst du häufig stärker in schräglage?
    auch der hinterreifen hat eine sehr hohen verschleiss. so einen verschleiss hab ich nicht mal im bf mitm CSA2 hingekriegt und der verschleiss im BF ist höher als auf CH-Strassen.

  • Michelin-Aktien habe ich keine. Mir reicht es, Michelin auf den Felgen zu haben.


    Einen Rennstrassenreifen wie den Metzeler Racetec K3 habe ich bis jetzt noch nicht ausprobiert. Wie die Temperaturmessungen gezeigt haben, würde dies auch keinen Sinn machen, da ein solcher Reifen nur auf der Rennstrecke seine ideale Betriebstemperatur erreicht.


    Mit der Federeung meines Bikes ist alles in Ordnung, aber es ist natürlich schon so, dass ich sehr gerne in die Kurven rein bremse, wobei natürlich mit zunehmender Schräglage die Bremse immer mehr gelöst werden muss. Aufgrund des Kurvenbremsens hält der Vorderreifen auch nicht länger als der Hinterreifen. Dafür ist es dann wenigstens toll, vorne und hinten gleichzeitig neue Reifen zu haben. Das Bike ist dann wie neugeboren, denn mit dem abgefahrenen Vorderpneu ist das Handling nicht mehr so toll. Auf der Kurveninnenseite des Lenkers muss ich in Schräglage ständig gut spürbar Druck beibehalten, sonst lenkt der Lenker weiter ein und steuert das Mororrad auf einen engeren Radius.


    Die 1'500 km gesetzeskonforme Laufleistung teilen sich wie folgt auf:


    - 1'100 km reine Passfahrten mit Motorrad-Schräglagen zwischen 40 und 48 Grad


    - 400 km Anfahrtsweg ohne spezielle Reifenbelastung

  • Nun ja........ also ein Dankesschreiben von Michelin sollte schon drinliegen bei dem Reifenverbrauch den Du haben musst.


    Da bin ich wohl eher der Typ Motorradfahrer der von den Reifenherstellern gar nicht gern gesehen wird.


    Da staune ich nur noch :confused_face:

  • War mit Sachsi letztes Jahr in den Dolomiten und bei uns Beiden waren die Vorderreifen nach rund 1200 km an den Flanken auch runter.... die beherzte Kurvenhatz kostet halt was und dort hat es jede Menge Kurven :grinning_squinting_face:
    Wer es etwas ruhiger angeht und nicht in die Kurven hineinbremst, fährt natürlich SEHR deutlich reifenschonender.... das ist so.
    Über die Km-Laufleistung entscheidet also die Gashand und der Kurven-Fahrstil :winking_face:

    Der Kern eines guten Motorrades liegt in der Technik, NICHT in der Optik :grinning_squinting_face:

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  • Na da muss ich ja eine besonders ruhige Fahrweise haben bei rund 6000km hinten und etwa 7-8000km vorne und Autobahn liegt bei uns mangels Vignette auch nie drin.


  • Einen Rennstrassenreifen wie den Metzeler Racetec K3 habe ich bis jetzt noch nicht ausprobiert. Wie die Temperaturmessungen gezeigt haben, würde dies auch keinen Sinn machen, da ein solcher Reifen nur auf der Rennstrecke seine ideale Betriebstemperatur erreicht.


    Woher willst du das wissen? Du hast den PiPo 2CT gemessen und willst daraus auf das Temperaturverhalten des K3 schliessen? Andere Marke, andere Reifenmischung sag ich da nur. Es erwärmt sich doch nicht jeder Reifen gleich...
    Ich denke du vermischst hier die Resultate deiner Versuche (die ich ernsthaft wirklich toll finde) mit recherchierten Aussagen. Da sollte man immer vorsichtig sein. Natürlich gehört ein Rennreifen auf die Rennstrecke. Der K3 lässt sich aber auch auf der Strasse hervorragend fahren, wenns rinigermassen warm ist. Und dass dieser bei 45Grad Celsius schlechter hält als ein 2CT, DAS müsstest du erstmal testen, bevor du solche Aussagen machst.

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  • Du hast schon recht Boo, das ganze wäre eine Thematik für eine umfassende Diplomarbeit. Zu der Aussage, dass ein K3 bei 43°C schlechter hält als ein PiPo 2CT würde ich mich auch nicht hinreissen lassen. Wahrscheinlich würde aber der K3 noch weniger Laufleistung haben als der PiPo 2CT.


    Früher (1990) habe ich mit meiner Honda CBR 1000 F (132 PS) mit dem Hinterpneu 6'000 km geschafft und der Vorderpneu hielt ca. 10'000 km. Damals bin ich in den Kurven wohl etwas vehaltener gefahren und habe auch weniger in die Kurven rein gebremst. Viel langsamer war ich jedoch nicht unterwegs.


    Es gibt sogar ein Video dazu: https://www.youtube.com/watch?v=i-vZUE7rMN4



    Stimmt, wie lange ein Reifen hält, hängt vor allem von der Gashand und der Fahrweise ab: http://www.imgbox.de/users/public/images/ZW59bJ8t0J.JPG